Präambel

Selbstbestimmung statt Gruppenzwang: Das Projekt der transkulturellen Gesellschaft

Die Kritische Islamkonferenz ist ein alternatives Dialogforum, das 2008 in bewusster Abgrenzung zur Deutschen Islamkonferenz des Innenministeriums ins Leben gerufen wurde. Sie hält es für verfehlt, die „Integration von Zuwanderern” durch die „Stärkung der religiösen Identität” verbessern zu wollen. Denn wer das Individuum auf eine religiöse Gruppenidentität reduziert, behindert die Emanzipation des Einzelnen und fördert die Entwicklung von Parallelgesellschaften. Ebenso klar grenzt sich die Kritische Islamkonferenz von jenen ab, die die notwendige Kritik an freiheitsfeindlichen Entwicklungen innerhalb der „muslimischen Community” missbrauchen, um fremdenfeindliche Ressentiments zu schüren. Auch sie reduzieren das Individuum auf religiöse oder ethnische Stereotype, wodurch die religiös-ethnische Gettoisierung der Gesellschaft verschärft wird.

Im Unterschied dazu setzt die Kritische Islamkonferenz auf das Leitbild der transkulturellen Gesellschaft, in der jeder Einzelne auf der Basis säkularer Grundwerte die Chance erhält, sein Leben autonom zu gestalten, und in der kulturelle Vielfalt tatsächlich als Bereicherung, statt als Bedrohung, erlebt werden kann. Während Vertreter der „deutschen Leitkultur” gegenüber „Menschen mit Migrationshintergrund” den chauvinistischen Anspruch „Passt euch uns an!” erheben und Multikulturalisten sie mit einem repressiv-toleranten „Bleibt, wie ihr seid!” beschwichtigen, richtet sich der Aufruf der Transkulturalisten an alle Gesellschaftsmitglieder gleichermaßen: „Lasst uns voneinander lernen, damit wir gemeinsam die Gesellschaft im Sinne der Menschenrechte weiterentwickeln können!”

Folglich geht es im transkulturellen Ansatz nicht um die „Integration der Zuwanderer”, sondern um einen Lernprozess, der alle betrifft. An die Stelle der Integrationspolitik rückt somit eine Emanzipationspolitik, in deren Mitte das Individuum steht – nicht das Konstrukt einer vermeintlich homogenen sozialen Gruppe. Schon allein dadurch wird eine Sarrazinische Schieflage der Argumentation vermieden – etwa das Vorurteil, dass demokratiegefährdende Defizite ausschließlich bei „Menschen mit Migrationshintergrund” zu finden wären.

Kamen in der ersten Kritischen Islamkonferenz 2008 vor allem religionsfreie Islamkritiker und Ex-Muslime zu Wort, sollen 2013 verstärkt auch liberale Muslime Gehör finden. Denn um die „offene Gesellschaft” gegen die doppelte Bedrohung von politischem Islam und chauvinistischer Fremdenfeindlichkeit zu schützen, bedarf es eines breiten Bündnisses säkularer und liberal-religiöser Kräfte.